4. Auswirkungen von Mobbing sowie Vorbeugung
                       und Bewältigungsstrategien


 

4.1 Auswirkungen von Mobbing

Kasper (1998, 2. Aufl., 37; vgl. auch in: Dick 1999, 103 f.) kommt, indem er die Befunde anderer Autoren auf den Bildungsbereich hochrechnet, auf insgesamt 24000 von Mobbing betroffene Lehrkräfte, von denen mindestens 2400 jährlich infolge des Mobbings frühpensioniert werden. In Deutschland entstehen dadurch Kosten von mindestens 570 Millionen, möglicherweise aber bis zu 4,2 Milliarden Mark jährlich, wenn Heilbehandlungskosten und Versorgung der mobbinggeschädigten Frühinvaliden eingerechnet werden.

Mobbing bewirkt laut Kasper (ebd., 37) durch den damit verbundenen Psychostreß mit der Zeit eine schwer behebbare gesundheitliche Schädigung, die als PTSD (engl. = post-traumatic stress discorder) bezeichnet wird. Das sind die gleichen gesundheitlichen Folgen wie bei Verbrechens- Kriegs- und Katastrophenopfern.

In der Frühphase treten nach Ausfelder (2000, 135 f.) folgende Symptome auf:

Migräne und Spannungskopfschmerzen

Erschöpfungszustände

Kreislaufprobleme

Schweißausbrüche

Schlafstörungen

Herzbeschwerden

Magen- und Gallenbeschwerden

allgemeine Störungen des vegetativen Nervensystems

Ohrensausen (Tinnitus)

Leymann (in: Ausfelder 2000, 136) nennt als häufigste Symptome bei den Betroffenen:

Kopfschmerzen 51%

Rückenschmerzen 44%

Einschlafstörungen 41%

Depressionen 41 %

schnelle Reizbarkeit 41%

Nackenschmerzen 36%

Konzentrationsmängel 35%

Versagensangst 32%

nächtliches Aufwachen 32%

Ausfelder (2000, 136 ff.) faßt zusammen, welche psychischen Probleme durch Mobbing entstehen können:

Konzentrationsprobleme, Gedächtnisstörungen

Selbstzweifel, Selbstunsicherheit

Depressionen, Antriebslosigkeit, Weinkrämpfe

Gefühle der Verzweiflung, Selbsttötungsgedanken

paranoide Zustände, Verfolgungswahn

Übersensibilität

gereizte, aggressive Stimmungen

Hektik, Ratlosigkeit

Albträume

Schließlich kann Mobbing zu Suchtverhalten (Tabletten, Alkohol, Rauchen) führen. Auch das private Leben wird durch die Mobbingbelastung beeinflußt.

 

4.2 Vorbeugung und Bewältigungsstrategien

Zur Prävention ist es wichtig, eine mobbingfreie Schule zu thematisieren, da Mobbing in der Schule eine Realität darstellt und es jeden treffen kann. Beim Umgang mit Mobbing herrscht bei Betroffenenen, Behörden, Personalräten und Gewerkschaften große Unsicherheit Das mangelnde Wissen über Mobbing führte leider immer wieder zu dessen Leugnung (vgl. Kasper ebd., 20).

Die Vermeidung und Überwindung von Mobbing in der Schule findet eine Begründung sowohl in der Verpflichtung zur Humanität als auch in der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Problems Mobbing. Die mobbing- und schikanefreie Schule ist laut Kasper (ebd., 20) möglich.

Kasper (1998, 2. Aufl., 184 f.) schlägt eine Formulierung für eine Anti-Mobbing-Konvention für die ganze Schule vor:

 


für die Schüler                für die Eltern                für die Lehrer


Zur praktischen Arbeit mit der Anti-Mobbing-Konvention gehören ein Schikanebriefkasten, Bestimmung eines Mobbingbeauftragten, Mediation, die regelmäßige Erörterung der Erfahrungen mit dieser Konvention auf Schulkonferenzen und der Umgang mit Verstößen (vgl. ebd., 190 f.).

Dies schließt für einen Lehrer, welcher Mobbing erlebt hat, natürlich nicht aus, sich auch ohne Einschaltung schulischer Hilfe an den Personalrat oder/und an seinen Rechtsanwalt wenden zu können, ohne daß ihm dies irgend jemand zum Vorwurf machen darf.

Abwehrmaßnahmen und Bewältigungsstrategien von und bei Mobbing sind in vielerlei Hinsicht möglich (Dick 1999; Kasper 1998, 2. Aufl., Ausfelder 2000; Schild/Heeren, 2001)!

Im Workshop werden die hier aufgeführten Möglichkeiten weiter ausgeführt und — auch an Beispielen — konkretisiert.

  • Direkte Gegenwehr durch bestimmtes Auftreten, Benennen und Zurückweisen der Angriffe. Rechtzeitig darüber reden, sprechen. Kollegien auf Probleme aufmerksam machen (hilft dies nicht, bei wiederholten Mobbinghandlungen auch Personalrat oder gar Anwalt einschalten). Diese aktive Gegenwehr, welche in einigen Fällen erfolgreich war, ist nur in der Anfangsphase ratsam. Haben sich Mobbing und Gegner bereits formiert, kann das zu gefährlich sein.

    Interventionen müssen früh erfolgen. Sobald der Zyklus des Prozesses mit der Installation des „Teufelskreises“ fortschreitet, wird es immer schwieriger, ihn zu stoppen.

    Auch Demonstration, Protest gegen unangemessene bzw. ungerechtfertigte Anweisung. Vorher Beratung durch Gewerkschaft oder Personalräte zwecks Einschätzung der Lage (Beamtentum!).
     
  • Gespräch mit dem Schulrat: Vorgesetzte haben Fürsorgepflicht für die Beschäftigten. Sofern der Schulleiter nicht am Mobbing beteiligt ist, kommt ihm diese Aufgabe zu.
     
  • Vorübergehender Rückzug aus dem Geschehen: Die „Erkrankung“, die der Kränkung folgt, ist das Signal des Organismus, die mit der persönlichen Reaktion auf Streß zusammenhängt.
     
  • Persönliche Maßnahmen zum Streßabbau: Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training, Meditation, Yoga, positive Autosuggestion, Methode Feldenkrais (z.B. Volkshochschule), NPL (Neuro-linguistische Programmierung) u. a.
     
  • Sich selbst stärken auf jede erdenkliche Art, z. B. Selbstverteidigungskurs, Autogenes Training, Selbsthilfegruppe, Musizieren, Malen. Auch Meditieren einer Schutzhülle kann hilfreich sein.
     
  • Mobbingtagebuch führen: ist dringend zu empfehlen. Diese Notizen sind hilfreich, wenn es gilt, vor Vorgesetzten, Kollegen usw. besser argumentieren zu können:

- Wann wurde ich gemobbt? (Datum und Uhrzeit)
- Was wurde getan? (Welche Mobbing-Handlung nach Leymann?)
- Was habe ich dabei empfunden? Wie habe ich reagiert?
- Durch wen wurde ich gemobbt?
- Wer war Zeuge? Evt. Beweismittel?
- Wer oder was hat mich unterstützt?

Im Gesamtzusammenhang aller notierten Handlungen läßt sich feststellen, unter welchem Druck ich stehe.

  • Suche nach Bündnispartnern, d. h. sich an eine oder mehrere Personen seines Vertrauens in der dienstlichen Umgebung zu wenden, um mit diesen die Situation zu besprechen und zu beraten.
     
  • Rechtliche Unterstützung ist nötig, wenn einem ausgesprochenes Unrecht angetan wird: Personalräte, Frauenbeauftragte. Bei klar gegen Sie gerichteten rechtswidrigen Aktivitäten einen versierten Anwalt aufsuchen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn gesundheitliche Schäden vorliegen durch Mobbing und mit Frühpensionierung zu rechnen ist (auch rechtliche Überprüfung der Versorgung). Sicherung von Beweismitteln für Erfolg ist wichtig, um Recht zu bekommen!
     
  • Medizinische Hilfe annehmen. Vorsicht: Leider kennen viele Mediziner noch nicht den direkten Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und Mobbing. Gegen Psychiatrisierung zur Wehr setzen! Manche Amts-/Ärzte jedoch wissen ganz gut Bescheid. Sich auf die 45 Mobbinghandlungen von Leymann beziehen, welche man selbst erlebt hat.
     
  • Fürsorgepflicht der Vorgesetzten: Verantwortung des Vorgesetzten, besonders angesichts der Tatsache, daß sehr viele Fälle von Mobbing ihre Wurzeln im Verhalten der Schulleiter haben. Hinterfragen des Handelns des Schulleiters, Ernstnehmen der Berichte der Betroffenen.
     
    In der Regel sind die Abläufe so, daß die Opfer stigmatisiert, allein gelassen, in Krankheit und völlige Demotivation, Depression oder Verzweiflung getrieben werden. Durch ihren Zustand bestätigen sie dann die Vorwürfe, die man ihnen gemacht hat (Teufelskreis).
     
    Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist ein richtiges Konfliktmanagement für Schulleiter unter Wahrung der gegenseitigen Achtung und Würde. Konflikte lösungsorientiert und nicht statusorientiert bearbeiten.
     
  • Verantwortung von Lehrern und Eltern: Die negativen Auswirkungen der beständig sich neu aufbauenden Konflikte belasten das gesamte System einer Schule. Anti-Mobbing-Konvention als geeignetes Mittel.
     
  • Mediation könnte möglicherweise ein neuer Weg zur Überwindung von entgleisenden Konflikten und beginnendem Mobbing werden. Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktlösung, bei dem unparteiische Dritte als Vermittler Hilfestellung leisten. Bewährt hat sich diese Methode auch als Schülerstreitschlichterprogramm.
     
  • Von einer nicht lernenden zur lernenden Organisation zu werden (Kasper ebd., 217 ff.), ist eine Forderung an alle Schulen. Wenn es einer Schule gelingt, in eine kontinuierliche positive Entwicklung zu kommen, ist der entscheidende Schritt in der Mobbingprävention wie für die künftige konstruktive Konfliktlösung geschafft.

Beispiele für nicht lernende Schul-Organisationen: Viele und starre Regeln, strenge Kontrollen (und Sanktionen), Unterdrückung bzw. Eliminierung abweichender Meinungen, wenig Vertrauen unter den Beschäftigten, kühle Atmosphäre, Konkurrenzdenken, geringe Fortbildungsbereitschaft usw.
 
Beispiele für lernende Schul-Organisationen: Wenige und flexible Regeln, Kontrollen auf das Notwendige beschränkt, abweichende Meinungen werden begrüßt (sollen das System optimieren helfen), Fehlertoleranz (wir lernen aus unseren Fehlern), Vertrauen im Team, offene und freundliche Atmosphäre, Betonung der Kollegialität, gegenseitige Unterstützung, Teamarbeit, Fortbildungsbereitschaft usw.

  • Wesentliches Entwicklungsziel für eine mobbingfreie Schule sollte zunächst die allgemeine Streßkontrolle und der schrittweise Abbau von streßfördernden Strukturen sein (Lärm, Hitze, schlechte Beleuchtung u. a. im physischen Bereich; schlechte Arbeitsbedingungen, hohe Anforderungen, Isolierung u. a. im psychischen Bereich). Dazu gehört auch ein kontinuierliches Bemühen um eine Verbesserung der Kommunikation.
     
  • Schulaufsicht, Personalräte und Gewerkschaften haben eine entscheidende Verantwortung für die künftige Vermeidung wie für die Beendigung von Mobbing an den Schulen ihres Bereichs.
     
  • Dienstvereinbarungen auf oberster Verwaltungsebene könnten die Basis für ein wirksames Instrumentarium zur Konfliktlösung schaffen.

 

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